Beschreibung

Industrie und Glück Tarock

Das älteste Industrie-und-Glück-Tarock Johann Norbert Hofmann, Wien, 1815, Kupferstich schablonenkoloriert Exemplar der Niederösterreichischen Landesbibliothek in Sankt Pölten.

Das heute für Österreich typische Tarockblatt wird als „Industrie-und-Glück-Tarock“ nach der Darstellung eines Adlers auf einem Felsen mit dieser Aufschrift auf Tarock II („Uhu“) bezeichnet. Dieses Motiv, wahrscheinlich ein Motto des Herstellers (Tarock II zeigt öfters Firmenhinweise), ist hier zum ersten Mal zu sehen. In Wien waren um 1800 neben Mythologie-Tarocken Chinesen-Tarocke üblich, die auf den Tarocken Szenen aus China zeigen, denen eine Nixe gegenübergestellt ist, wie zum Beispiel noch auf Tarock XIX. Die durch den Adler verdrängte Nixe findet sich auf Tarock VI. Bereits hier sind einige neue Motive zu sehen, z.B. der ungarische Hirte mit Pferd auf Tarock IIII oder die orientalische Szene auf Tarock XXI („Mond“). In der Folge verschwinden die ursprünglichen Motive zugunsten heimischer Szenen, meist aus Nationalitäten- oder Berufe-Tarocken: auf Tarock II ist dem Adler heute ein Tiroler Teppichhändler vor der Wiener Hofburg gegenübergestellt (vgl. Tarock XVII im Wiener Volksfiguren Tarock Nr. 288692). Auch dem heutigen Spieler immer noch vertraut wirken die Darstellungen von Sküs und Tarock I („Pagat“), ebenso der Pik-König und Treff-Reiter mit Turban; Pik-Dame und Treff-Dame haben Fächer und Blume untereinander getauscht. Zwar besitzt der Pik-König schon in den Chinesen-Tarocken seinen Turban, in den von bayerischen Vorlagen des 18. Jahrhunderts abstammenden Tier-Tarocken und Jagd-Tarocken gehört der Turban aber zum Karo-König (vgl. Russisches Tiertarock Nr. 286896). Ein kurioses Detail am Rande: die Karten mit Doppelbildern (Sküs und Figuren) sind nicht völlig symmetrisch – z.B. besitzt nur die eine Hälfte der Herz-Dame eine Halskette.

Die Datierung des Spiels ergibt sich aus dem Spielkartensteuerstempel auf dem Herz-Ass; Herstellerhinweise finden sich auch auf Karo- und Treff-Bube. Bisher galten Tarocke (mit unterschiedlichen Darstellungen der Herz-Dame und Schreibweisen von „Industrie und Glück“) aus den Jahren 1819 bis 1824 als die ältesten Industrie-und-Glück-Tarocke; das vorliegende Tarock von 1815 zeigt altertümlichere Darstellungen von Herz-Reiter und Herz-Bube sowie einen in Seitenansicht abgebildeten Herz-König mit Zackenkrone, der sich auf einem Chinesen-Tarock von J. Estel 1819 wiederfindet. Als Rückseitenmotiv wurde der für die frühen Industrie-und-Glück-Tarocke typische „Wiener Halbmond“ (in gedoppelter Form) verwendet. Die heute handelsüblichen 54 Blatt sind vollständig erhalten; möglicherweise umfasste das Paket aber ursprünglich noch die für das klassische Tarock erforderlichen 78 Blatt.
Wir danken der NÖ. Landesbibliothek und J. H. Alscher für die zur Verfügungstellung des Originalsujets und des Textes.